Das Mutterhaus ist das Zentrum der Diakonissen Speyer. Es dient als Sitz der zentralen Verwaltung, als geistliches Zentrum der Diakonischen Gemeinschaft und für die Mitarbeitenden sowie als Fort- und Weiterbildungsstätte. Für die Diakonissen im Feierabend ist es Zuhause und Wohnort nach ihrem aktiven Berufsleben.
Mutterhaus
„Wo geht es denn zu den Neugeborenen?“ Diese Frage ist an der Mutterhaus-Pforte regelmäßig zu hören. Dabei sind die jungen Mütter in unserem Krankenhaus aufgehoben, das Mutterhaus hat seinen Namen von der Idee her, dass hier die Diakonissen wie in einer Familie als Schwestern miteinander wohnen und ihren Glauben, ihr Leben und ihren Dienst teilen.
Das heutige Haus ist das dritte Mutterhaus in Speyer. Es geht auf eine Stiftung von Heinrich Hilgard zurück, einem Speyerer, der im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in den USA durch den Eisenbahnbau zu einem großen Vermögen kam. Es wurde 1884 erbaut und diente als Zentrum der Ausbildung der Diakonissen. Bevor 1907 das erste Krankenhaus eingeweiht wurde, waren in der ersten Etage des Mutterhauses auch Krankenzimmer in der Nähe der Kapelle untergebracht. In der Kapelle werden auch heute noch fast täglich Andachten und Gottesdienste gefeiert.
Die Fenster in der Mitte zeigen Bilder der Jesus-Geschichte von der Geburt bis zur Auferstehung. Gott kommt in diese Welt, zeigt seine Liebe, leidet an der Härte der Welt, stirbt und überwindet den Tod durch sein Leben. Die Fenster links und rechts zeigen die Werke der Barmherzigkeit aus dem Gleichnis vom Weltgericht in Matthäus 25: Hungrige speisen, Durstigen zu trinken, Fremden ein Obdach geben, Nackte kleiden, Kranke versorgen, Gefangene besuchen.
Beziehen sich die Fenster in der Mitte auf das Neue Testament, so zeigt ein Fenster an der äußeren Seitenwand ein Motiv aus dem Alten Testament: David mit der Harfe. Dem Leben dient nicht nur die praktische Hilfe, sondern auch die Freude und der Trost aus der Musik.
Traditionell hat jedes Diakonissenmutterhaus einen Hausspruch, also ein Bibelwort, das als Motto über seiner Arbeit steht.
Über dem Mutterhaus in Speyer steht seit seiner Einweihung im November 1859 der Satz aus Matthäus 25,40: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Dieser Satz stammt aus Jesu Erzählung vom Weltgericht. Den Menschen, die dann in der Nähe Gottes stehen, sagt Jesus: „Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen. Die das hören, fragen verwundert: Wann haben wir dies getan? Der Menschensohn antwortet: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan." Gerade im Umgang mit den Bedürftigen gewinnt das eigene Leben seine Bedeutung. Wer für sie da ist und ihnen hilft, trägt dazu bei, dass die Welt zu dem Ziel kommt, das Gott für sie will.
Dem Mutterhaus in Mannheim wurde bei seiner Einweihung im Juni 1884 der Satz aus 1. Johannes 4,19 als Hausspruch gegeben: „Lasst uns lieben, denn Er hat uns zuerst geliebt." Dieser schöne Briefabschnitt beschreibt den Zusammenklang zwischen der Liebe Gottes zu den Menschen, der Liebe von uns Menschen zu Gott und der Nächstenliebe, die uns untereinander als Brüder und Schwestern verbindet. Im Johannesbrief ist es so formuliert: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“
Die Haussprüche der beiden Mutterhäuser halten fest: Diakonissen leben in ihrem Dienst aus der Liebe, die Gott ihnen schenkt. Sie geben diese Liebe weiter an die Menschen, denen sie begegnen. Gerade den Schwachen helfen sie, die der Hilfe bedürfen: Kranken, alten und sterbenden Menschen, Menschen mit Behinderung, Kindern und Jugendlichen.
Diese Motivation trägt auch heute viele Mitarbeitende, die die Arbeit der Diakonissen fortführen. Sie möchten den Menschen, die in unseren Einrichtungen Hilfe suchen, freundlich und menschlich begegnen aus Dankbarkeit für die Kraft, die Gott ihnen schenkt.
So soll unsere Tradition auch weiter den Geist und die Arbeit in unseren Häusern prägen. Menschen, die zu uns kommen, sollen dies spüren.
Mit der Gründung des Mutterhauses in Speyer 1859 schloss man sich der Bewegung von Friederike und Theodor Fliedner an, die 1836 im Düsseldorfer Stadtteil Kaiserswerth ein Mutterhaus aufgebaut und damit der Mutterhausdiakonie in Deutschland den Anstoß gegeben hatten.
Fliedner gründete das Kaiserswerther Mutterhaus, um den drängenden sozialen Problemen des Industriezeitalters zu begegnen. Er eröffnete unverheirateten Frauen eine Ausbildung in einem sozialen Beruf als Krankenschwester oder Kinderschulschwester. Ihren Dienst am Menschen taten Diakonissen seither in ihrer Tracht der Bürgersfrau des Biedermeier: So wie die Bürgersfrau durch Heirat „unter die Haube“ und in einen geschützten Stand kam, so gestatteten Kleid und Haube auch den Diakonissen ein selbstständiges Auftreten in der Öffentlichkeit. Im Laufe der Zeit entstanden zahlreiche weitere Mutterhäuser in Deutschland und darüber hinaus. Sie gelten bis heute als Zentren der christlichen Gemeinschaft, als Orte der Ausbildung und Aussendung und sind Heimat für die Diakonissen und Diakonische Gemeinschaften.
Von Beginn an war die Mutterhaus-Geschichte grenzübergreifend: So wurden die ersten Speyerer Schwestern im Mutterhaus in Straßburg ausgebildet. In diesem internationalen Geist gründete sich 1861 die Kaiserswerther Generalkonferenz, in der sich Mutterhäuser aus ganz Europa und Übersee zusammenschlossen. Neben den deutschen Häusern sind Mutterhäuser aus Frankreich, Österreich, Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen, Polen, Ungarn, Italien, Schweiz, Brasilien, USA, Tansania, Japan, Südkorea und Indien in der Generalkonferenz vertreten.
Aus dieser Konferenz heraus, die auch heute noch besteht und die Möglichkeit des internationalen Austausches bietet, bildete sich 1916 der Kaiserswerther Verband.
Mit 64 Diakonissen-Mutterhäusern in Deutschland und 26 europäischen und überseeischen Diakonissenhäusern hat der Kaiserswerther Verband heute zum Ziel, die Entwicklung der Mitgliedshäuser durch die Verbindung und den Austausch untereinander zu unterstützen. Er stärkt die Gemeinschaft durch geistliche und fachliche Angebote und fördert diakonische Bildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten. Menschen, die sich mit Fragen zu christlichen Gemeinschaften beschäftigen oder sich mit diakonischem Handeln auseinandersetzen, finden im Kaiserswerther Verband einen Ansprechpartner.